FARBPROJEKT OTRANTO 2008
Schnell war mir klar, dass ich die Farben der Grube im Alltag, in der Geschichte der Menschen von Otranto suchen und wiederfinden wollte. Daher durchstreifte ich ihre engen verwinkelten Gassen, nahm kurze Sequenzen aus ihrem Leben wahr, durfte teilnehmen an flüchtigen Begegnungen, erhaschte geheimnisvolle Einblicke in geöffnete Türen und Fenster. Alles war zufällig - immer in Bewegung - blieb ein Geheimnis, oder verdichtete sich in meiner Phantasie zu einer Geschichte ohne Anfang - ohne Ende!
Mein Projekt thematisiert die Auseinandersetzung mit der Erinnerung. Was ist überhaupt Erinnerung, wie verwebt sie sich zu einer Geschichte? Lässt sie sich in einen zeitlichen Raster einpassen? Ist es nicht vielmehr das Wesen der Erinnerung, dass sie zeitlich und räumlich unbegrenzt ist? Dieses unverhoffte Auftauchen einer Erinnerung, der Genuss, wenn sie uns entführt, auf Reisen mitnimmt, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion sich im Traum verliert.
Otranto scheint geradezu berührt von diesem Schatten der Vergangenheit zu sein. Sein Antlitz widerspiegelt eine bewegte Geschichte. Hinter jedem Stein bin ich versucht, eine Spur dieser historischen Zeugnisse zu erhaschen, um dahinter das Geheimnis des Lebens - eventuell meines eigenen Lebens zu enträtseln? Das Mosaik vom Lebensbaum in der Kathedrale im Stadtzentrum - auch da bleibt alles zutiefst verschlüsselt in einer symbolischen Andeutung.
Nach 14 Tagen Aufenthalt haben die Farben der Grube ihre Anziehungskraft noch lange nicht verloren.
Zu Hause erwartet mich die Fortsetzung meiner Eindrücke. Ich beginne das Fotomaterial zu einer Dia-Show zu verarbeiten, die ich in der aktuellen Ausstellung auf farbige Leinwände, bemalt mit Pigmenten aus der Grube von Otranto, projiziere.
Rita Landolt Frühjahr 2009